Radtour an der Donau (Dunărea) – ein Reisebericht von Kyra Schlank

Vom 10. August bis zum 03. September 2018 machen sich mein Vater, ich und unsere beiden Fahrräder auf die Reise in den nahen Osten. Unser Ziel ist der Kilometer Null der Donau, also die Stelle, an der der Fluss ins schwarze Meer fließt.

Begonnen haben wir unser Großprojekt „Donauursprung (in Donaueschingen/Deutschland) bis zur Donaumündung (Sulina/Rumänien)“ im Sommer 2015. Jedes Jahr schaufelten wir uns einen Monat frei von Arbeit und Studium und radelten so Hügel für Hügel und Kilometer für Kilometer bis nach Pecs/Südungarn (Ein Ort 60 km von der offiziellen EuroVelo 6 Route entfernt).

Dieses Jahr fuhren wir also zum Endpunkt der letzten Etappe und verbringen noch zwei Tage in Pecs, besuchen das Grab meiner Urgroßmutter und bereiten uns nervlich auf die kommende Reise mit all ihren Schönheiten und Anstrengungen vor.

Die zurückgelegte Strecke (Plan)

Unsere Ausstattung bestand neben den nötigsten Kleidungs- und Outdoor-Utensilien aus: Reisepass, Radreiseführer, Vokabellisten für die Sprachen Ungarisch, Kroatisch, Serbisch und Rumänisch, die von „Wo sind wir?“ bis „Ein Bier bitte!“ reichten (All diese Länder, sowie unvorhergesehen Bulgarien lagen auf der Route) und je 100 Euro in den verschiedenen Währungen; Forint, Kuna, Dinar und Lei.

  • Gesamte Streckenlänge: 1800 km
  • Gesamtdauer: 24 Tage
  • Bereiste Länder: 7
  • Zeitverschiebung (in Rumänien): +1 Stunde
Mein Name ist Kyra, ich bin 23 Jahre alt, komme aus Deutschland und studiere zurzeit in Augsburg Sozialwissenschaften. Für dieses Semester belege ich den Rumänisch A1 Kurs. Welche Erfahrungen mein Vater und ich auf unserer Reise gemacht haben, will ich hier zusammengefasst mit euch teilen. Ich werde mich auf die Eindrücke um Land und Leute in Rumänien beschränken.

Die Donau-Route in Rumänien

Die Strecke in Rumänien (România) nimmt mit knapp 1000 km einen Großteil der diesjährigen Etappe ein. Die Hauptroute führte vorwiegend auf gut ausgebauten Straßen und durchzog Süd-Rumänien (sud-România) von der Stadt Calafat im Westen (west) bis zur Hafenstadt Konstanza (Constanța) am Schwarzen Meer (Marea Neagră). Größere Ortschaften, die wir außerdem durchquerten, waren: Turnu-Magurele (Turnu Măgurele), Giurgiu, Silistra, Calarasi (Călărași) und Tulcea. Keiner der Städte hatte mehr als 350.000 Einwohner, eher um die 30.000 Einwohner, was bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 20 Mio kein Wunder ist. (Wusstet ihr, dass fast 6 Mio Rumänien im Ausland arbeiten?).

Meine ersten Eindrücke

Zugegeben, war ich nicht sonderlich positiv auf Rumänien eingestimmt. Ich war geblendet von einer Angst, die etwas mit den Berichten anderer Radreisenden zu tun hatte, die sich über die durchaus aggressiven Straßenhunde ausließen, welche sich in den rumänischen Ortschaften und Städten tummeln sollten. Angekommen in Calafat bestätigte sich meine Befürchtung, denn neben den Menschen dort beobachtete ich mindestens genauso viele Hunde, die sich klein, groß, als Einzelgänge oder in Rudeln die Straßen bewohnten. Die Rumänen selbst schienen den Hunden nicht sonderlich viel Beachtung zu schenken. Ich jedoch krampfte innerlich jedes Mal zusammen, wenn ich einen sah oder hörte. Fairerweise sollte ich dazusagen, dass wir die Reise unverwundet durchstanden und die Hunde durchaus ein Problem darzustellen scheinen, jedoch bei Rücksichtnahme keine Bedrohung sind, die mit Pfeffersprays oder anderen „Waffen“ verteidigt werden müsste. Im Endeffekt sind die Leidtragenden die Hunde selbst, die vernachlässigt auf den Straßen überleben zu versuchen und von der Regierung als schmutzige Last eingeschätzt werden.

Freundliche Begegnungen mit Rumänen

Freundliche Leute

Neben den Hunden prägten uns natürlich noch andere Eindrücke. Nachdem wir mit der serbischen Sprache und ihrer kryptischen Schrift so unsere Verständnisprobleme hatten, hörte sich Rumänisch als lateinische Sprache erstaunlich vertraut an. (Nicht zuletzt, weil ich ein bisschen Italienisch spreche). Natürlich konnten wir keine Gespräche auf Rumänisch führen. Das war auch selten nötig, da wir viele sehr hilfsbereite Leute getroffen haben, die stolz mit Deutsch aushalfen. Viele Rumänen haben nämlich Ende des 20. Jahrhundert in Deutschland gearbeitet und freuten sich, sich mit uns austauschen zu können.

Auf unserer Route durchfuhren wir eine Unzahl von kleinen Orten, die alle 20 km lang auftauchten. Die sogenannten Straßendörfer waren immer gleich aufgebaut: Nach der Ortseinfahrt, an der wir vom mittlerweile vertrauten Hundegebell empfangen wurden, reihten sich Haus an Haus, vor denen die alten Bewohner auf Häuserbänken zusammensaßen und sich vor der brütenden Mittagshitze versteckten. Viele beobachteten das ruhige Treiben auf der Straße und hin und wieder hüteten welche Gänse- und Hühnerherden.

PferdekutscheIn der Ortsmitte trafen wir auf ein Magazin Mixed (ein Geschäft mit dem Nötigsten an Lebensmitteln), indem wir uns mit dem Üblichen (Käse, Brot und Paprika) eindeckten und neben den anderen Dorfbewohnern auf ein Bier und Kaffee rasteten. Auffällig waren natürlich die maroden Häuser und chaotischen Strommasten. Jedoch auch die Muse und Freundlichkeit, die wir in solchen Ortschaften erlebten.

Erkundungstour im Donaudelta

Als wir in Tulcea ankamen, unternahmen wir ein Erkundungstour des Donaudeltas mit dem Schiff. Das Donaudelta (Delta Dunării) umfasst 5800 km² und ist damit im Vergleich ca. 15-mal so groß wie München. Eine Unzahl an Vogelarten, Flusspflanzen, aber auch Tiere, wie Wildschweine und Wildpferde tummeln sich dort. Die Menschen, die im Delta wohnen, sind meistens Fischer, die sich ihr Leben in dieser Idylle durch den seichten Tourismus finanzieren. Auch wir haben bei einer dieser Familien zum Mittagessen angelegt und wurden mit frischem Fisch und Wein verköstigt. (Typischerweise gibt es eine Fischsuppe mit Knoblauchcreme und Brot zur Vorspeise und Backfisch zum Hauptgang.) Mein Vater und ich waren überwältigt von der Urwaldstimmung und dem Facettenreichtum der Natur dort.

Sandstrand am schwarzen MeerDer Kilometer Null ist mit einer Fahre erreichbar und markiert die Stelle, an der der Hauptkanal der Donau ins schwarze Meer fließt. Wir ließen uns diese 2-stündige Fahrt nach Sulina nicht entgehen und verbrachten einen Abend angenehm erschöpft und stolz am Sandstrand und badeten lang ersehnt im schwarzen Meer. Am morgen darauf ging es zu Sonnenaufgang zurück nach Tulcea und von dort aus weiter Richtung Constanta und Heimat.

Constanta war zwar unsere Endstation, von der wir die Heimreise mit dem Zug antreten wollten. Jedoch traten Komplikationen auf, die die Rückreise in die Länge zog. Der Fahrradtransport mit der rumänischen Bahngesellschaft war anscheinend nicht vorgesehen. Nach ewigem verhandeln und Schmiergeldern schafften wir es dann nach 38 Stunden Fahrt und kontrastreichen Zwischenstopps (zB. um 2 Uhr nachts an der verregneten Grenzstation in Lököshaza, oder im Sonnenschein bei Kaffee und Sachertorte im Wiener Kurpark) kamen wir dann zu Hause in München an und wurden von meiner Mutter empfangen.

Eindrücke unserer Reise von Rumänien

Kloster Dervert
vor dem Kloster Dervert (Nach Silistra), dass uns für eine Nacht Obdach gewährt hat

In diesem Land lernten wir idyllische Orte und trostlose, verkehrsreiche Großstädte kennen. Pferdekutschen, die sich mit Autos und Fahrradfahrern die Straße teilten, trockene und monotone Landstriche, das zauberhafte Donaudelta, schlechten Kaffee und eine neue Sprache kennen. Ich bin begeistert von der Gastfreundschaft der Rumänen und geschockt von den korrupten Strukturen, mit denen wir konfrontiert wurden. Ich liebe die Leidenschaft und die Ausdauer, mit der die Menschen sich ihr Leben zu versüßen versuchen und ich hasse die Ausbeutung der westlichen Großinvestoren, die sich das Land zu Eigen machen, um von, im großen Stil angebauten Monokulturen, profitieren zu können und somit das Land zerstören. Während ich diesen Bericht verfasse, schwelge ich in Erinnerungen an eine Reise, die mich persönlich und hinsichtlich meines Studiums stark geprägt und beeinflusst hat.

Rumänien hat mich überrascht und ist, meiner Meinung nach, ein sehr interessantes Land. Ich wünsche mir, dass sich die Menschen dort ihre Vorzüge bewahren und das Land nicht gänzlich vom kapitalistischen Effizienzrausch überschwemmt wird!

Kyra

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